Traumatherapie / Traumafachberatung
Wenn es unserer Seele mit all ihren Selbstheilungskräften alleine nicht gelingt, sich von einem Trauma zu erholen, wenn wir dauerhaft unter den Traumatisierungen (das sind die Folgen der Traumata) leiden, wenn Strategien, die uns beim Überleben geholfen haben, heute manchmal im Weg stehen, wenn wir eine Traumafolgestörung haben, dann kann Traumatherapie oder auch Traumafachberatung eine hilfreiche Unterstützung sein.
In der Traumatherapie und der Traumafachberatung werden weitgehend dieselben Haltungen zugrunde gelegt und dieselben Interventionen angewendet. Der Unterschied besteht hauptsächlich darin, dass die Traumafachberatung sich auf die in Phase 1 und 2 beschriebenen Inhalte und Methoden, nämlich Stabilisierung und Distanzierung, beschränkt. Nur in einer Traumatherapie können Traumatisierungen durchgearbeitet werden.
Sowohl Traumafachberatung als auch Traumatherapie sind hilfreich, wirken heilsam und können sich bei einer guten Vernetzung der Profis in ihrer Wirkung gegenseitig unterstützen.
Was ist Traumatherapie, was erwartet mich da, wie kann diese Form der Unterstützung aussehen?
Traumatherapie ist, ebenso wie Psychotherapie überhaupt, im Grunde genommen Hilfe zur Selbsthilfe. Wir bekommen Unterstützung, um vor allem ein Verständnis für uns und unsere Reaktionen und Verhaltensweisen zu entwickeln und einen Zusammenhang zu den traumatischen Erfahrungen herzustellen, was sehr entlastend sein kann. Durch ein Trauma wird unser Leben, unser Welt– und unser Selbstbild, aber auch unser Gefühl von Sicherheit zutiefst erschüttert. Deshalb sind Ressourcen, also unsere Fähigkeiten und Kraftquellen, besonders wichtig in der Traumatherapie. Wenn wir sehr früh in unserem Leben traumatisiert wurden oder immer wieder Traumata erleben mussten, dann hatten wir vielleicht nie die Chance, manche unserer Ressourcen ausreichend zu entwickeln. Dafür sind andere unserer Ressourcen besonders ausgeprägt, denn auch jede unserer individuellen Überlebens– und Bewältigungsstrategien ist eine Ressource, die uns geholfen hat zu überleben. Einiges von dem, was wir zum Überleben entwickeln mussten, steht uns heute vielleicht im Weg, erschwert unsere Alltagsbewältigung und ist unter Umständen heute nicht mehr angemessen und hilfreich. In der Traumatherapie ist es wichtig, auch all dies als Ressource wertzuschätzen und daneben bekommt unsere Seele Anstöße durch neue Blickwinkel, ihre Selbstheilungskräfte in einer für uns heute stimmigeren Form einzusetzen.
Wie sehr wir es uns vielleicht auch wünschen – nichts auf der Welt – auch keine Traumatherapie – kann ein Trauma ungeschehen machen. Was können wir denn dann in einer Traumatherapie erreichen? Wir können begreifen und fühlen lernen, dass es vorbei ist. "Es ist passiert", "es war schrecklich" und "jetzt ist es vorbei"! Wenn unser Gehirn, unsere Seele und unser Körper das gelernt haben, dann verringern sich viele Traumafolgen, unter denen wir leiden.
Susanne Lüderitz beschreibt in ihrem Buch "Wenn die Seele zersplittert" als wichtigstes Merkmal eines gelungenen Heilungsprozesses (auch nach früher und sich immer wiederholender Traumatisierung)
- Dass wir ein Ja zum Leben finden.
- Dass wir Liebe und Akzeptanz für uns selbst (wieder–)finden.
- Dass wir Lebensfreude und Humor entwickeln.
- Dass wir nicht allein bleiben, sondern in vertrauten Beziehungen zu anderen Menschen sein können.
Durch eine Traumatherapie kann es uns gelingen, ein Gegengewicht zu den traumatischen Erfahrungen und ihren Folgen aufzubauen, sodass diese weniger Einfluss auf unser heutiges Leben haben, sondern vielmehr einen angemessenen Raum bekommen. Es kann uns gelingen, einen Umgang mit den Folgen der Traumatisierungen zu entwickeln und ihre Bewältigung zu erleichtern.
Eine Traumatherapie besteht aus vier verschiedenen Phasen.
Es gibt heute verschiedene Methoden der Traumapsychotherapie:
- PITT (psychodynamisch imaginative Traumatherapie) nach Luise Reddemann
- EMDR (Eye Movement Desenzitisation and Reprocessing) nach Francine Shapiro
- SE (Somatic Experiencing) nach Peter Levine
- TRIMB (Trauma Recapitulation with Imagination Motion and Breath) nach Ingrid Olbricht
- MPTT (Mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie) nach Gottfried Fischer
- STI (Strukturierte Trauma–Intervention) nach Dorothea Weinberg
- tSt (traumabezogene Spieltherapie) nach Dorothea Weinberg
Nach vielen Jahren der Erfahrung in der therapeutischen Arbeit mit traumatisierten Menschen ist heute klar, dass herkömmliche psychotherapeutische Methoden (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Therapie, psychoanalytische Therapie, Gesprächstherapie, Gestalttherapie, Familientherapie, Körpertherapie etc.) für die Bearbeitung von traumatischem Stress alleine nicht geeignet sind! Sie können einen guten Rahmen für das Gesamtbehandlungskonzept darstellen und sollten ergänzt werden durch traumatherapeutische Verfahren, die speziell auf die Erfordernisse und Bedürfnisse traumatisierter Menschen zugeschnitten sind. Solche Verfahren berücksichtigen die Besonderheiten der physiologischen Stressverarbeitung bei traumatisierten Menschen, sodass Stressreduktion eine besonders hohe Priorität hat. Denn durch dissoziative Stressreaktionen werden sowohl unsere Lernfähigkeit als auch unsere Gedächtnisspeicherung blockiert, d. h. wir können bei zu hohem Stresspegel von den Inhalten aus der Beratung oder Therapie nicht profitieren, weil wir gar nicht in der Lage sind, sie angemessen aufzunehmen. Wenn wir immer wieder traumatischen Stress erleben mussten, dann wird dieser Stress auch in unserem weiteren Leben durch unterschiedliche Auslöser immer wieder angetriggert. Das führt dann jedes Mal zur erneuten Aktivierung unseres instinktiven Verteidigungssystems. So kann sich auf Dauer unter Umständen ein Lebensgefühl von anhaltender Bedrohung und Misstrauen entwickeln. Deshalb sind Stressreduktion, Stabilisierung und eine sichere therapeutische Beziehung die wichtigsten Grundlagen in der Arbeit.
Eine kleine Orientierungshilfe für die Auswahl der richtigen Psychotherapie:
- Verfügt die TherapeutIn über spezielle traumatherapeutische Kompetenzen?
- Können wir gut zusammenarbeiten?
- Fühle ich mich ernst genommen?
- Werde ich gut informiert über Arbeitsweise, Techniken und Methoden und werden meine Fragen beantwortet?
- Haben meine Bedürfnisse Raum?
- Werden meine Grenzen respektiert?
- Habe ich das Gefühl, dass ich mich zumuten kann?
- Habe ich ein greifbares Gegenüber?
- Kann ich darauf vertrauen, dass ich und meine Geschichte ausgehalten werden?